Einmal ist doch nicht keinmal – zum Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen hat jetzt erneut das BAG entschieden (Urteil vom 21.08.2019 – 7 AZR 452/17)

1. Die frühere Rechtslage

Als der Gesetzgeber mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21. Dezember 2000 in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot einführte, um Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen zu schützen und das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu sichern, traf dies nicht nur auf Zustimmung.

Arbeitgeber beklagten die Deflexibilisierung von Beschäftigung, die mit der Kontrolle des Verbotes einhergehenden Dokumentationsprobleme und Risiken in einem volatilen Arbeitnehmermarkt. Selbst auf Seiten der Arbeitnehmer war zu vernehmen, das Vorbeschäftigungsverbot beeinträchtige die Freiheit der Berufswahl und schränke Arbeitnehmer unnötig ein.

Mit Urteil vom 6. April 2011 (7 AZR 716/09) legte das BAG § 14 Abs. 2 S.2 TzBfG dann dahingehend aus, dass eine einschlägige Vorbeschäftigung dann nicht gegeben sei, wenn diese länger als drei Jahre zurückliege. Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit sowie der Gesetzeszweck, so das BAG, sprächen für ein entsprechendes Verständnis. Der Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG schließlich sei im Kontext von § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG zu sehen. Die Möglichkeit für Arbeitgeber, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Arbeitsmarktbedingungen flexibel zu reagieren korrespondiere mit dem Interesse der an einer befristeten Beschäftigung als Alternative zur Arbeitslosigkeit und Brücke zur Dauerbeschäftigung. Der Sinn und Zweck der Vorschrift sei daher, sogenannte „Kettenbefristungen“ zu verhindern. Bei verfassungskonformer Auslegung werde diesem Zweck im Wege der rechtsfortbildenden Konkretisierung eine Wartephase, die der dreijährigen Verjährungsfrist entspreche, gerecht.

Diese Rechtsprechung des BAG wurde von den Untergerichten mehr und mehr  in Frage gestellt bis schließlich im Juni 2018 das BVerfG ein Machtwort sprach.

2. Die Entscheidung des BVerfG

Das BVerfG hat am 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14) entschieden, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungsgemäß ist und dessen Auslegung den aus der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien hinreichend deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen darf.

Eine Auslegung im Sinne des BAG, so das BVerfG, laufe diesem Willen zuwider. Zwar seien die grundgesetzlich geschützten Interessen der Arbeitnehmer auf Berufswahlfreiheit und der Arbeitgeber auf freie wirtschaftliche Betätigung zu berücksichtigen. In Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und dem Sozialstaatsprinzip seien die in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verkörperten gesetzgeberischen Zielsetzungen jedoch zumutbar.

Unzumutbar sei das Verbot nur dann, wenn die Gefahr einer Kettenbefristung nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei.

In allen anderen Fällen dürfe das „klar erkennbare gesetzliche Regelungskonzept von den Fachgerichten nicht übergangen und durch ein eigenes Konzept ersetzt werden.“

3. Nachfolgende Entscheidungen

Als erstes Instanzgericht folgte das LAG Düsseldorf den seit der Entscheidung des BverfG als Primärrecht geltenden Regeln zum Vorbeschäftigungsverbot und versagte einer sachgrundlosen Befristung nach 5 Jahren die Wirksamkeit (LAG Düsseldorf, Urteil v. 10.10.2018 – 7 Sa 792/17).

Das BAG hat in einer Reihe von Entscheidungen Vorbeschäftigungen mit einem zeitlichen Abstand von

  • 3,5 Jahren (23.01.12019 – 7 AZR 161/15, Vorinst. LAG Hamm, Urteil v. 22.1.2015 – 11 Sa 1228/14),
  • 5,5 Jahren (23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Vorinst. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.11.2016 – 17a Sa 14/16) und
  • 8 Jahren (23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Vorinst. LAG Baden- Württemberg, Urteil v. 11.8.2016 – 3 Sa 8/16)
  • 8 Jahren und 9 Monaten (20.3.2019 – 7 AZR 409/16, Vorinst. LAG Köln, Urteil v. 28.4.2016 – 8 Sa 1015/15) und
  • 15 Jahren (17.04.2019 – 7 AZR 323/17, Vorinst. LAG Niedersachsen

den Erfolg versagt.

4. Die Entscheidung des BAG vom 21.8.2019

Als spektakulärer Erfolg wird in den einschlägigen arbeitsrechtlichen Medien jetzt teilweise die neueste Entscheidung des BAG vom 21.8.2019 gefeiert, der ein Abstand von 22 Jahren zwischen den jeweiligen Befristungen zugrunde lag.

Die dortige Klägerin war zunächst von Oktober 1991 bis November 1992 bei der Beklagten als „Hilfsbearbeiterin Kindergeld“ befristet tätig und dann wieder von Oktober 2014 bis Juni 2015 als Telefonserviceberaterin im Servicecenter beschäftigt. Das BAG hat die Vorbeschäftigung als vergleichbar angesehen hat, aber ein Vorbeschäftigungsverbot, das sich auf eine 22 Jahre zurückliegende Tätigkeit bezieht, als unzumutbar betrachtet und die Klage abgewiesen. Die Vorinstanz, das LAG Schleswig-Holstein (Urteil v. 27.7.2017 – 4 Sa 221/16) hatte der Klage, anders als noch das Arbeitsgericht, statt gegeben.

Das BAG folgt in dieser Entscheidung seiner Linie, die sich bereits in dem Urteil vom 17.04.2019 angedeutet hatte: Der Senat bezog sich dort auf die längstmögliche Kündigungsfrist von 7 Monaten, die erst bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 20 Jahren eingreife.

5. Fazit

Damit dürften die Regeln für sachgrundlose Befristungen definiert sein: Liegt die Vorbeschäftigung weniger als 20 Jahre zurück, kommt eine sachgrundlose Befristung nur in den anderen von dem BVerfG gebildeten Beispielsfällen einer „ganz anders gearteten“ Beschäftigung oder einer solchen von „sehr kurzer Dauer“ in Betracht. Arbeitgebern kann daher nur geraten werden, bei einer Neueinstellung eine Vorbeschäftigung weiter abzufragen.

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